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FDP: Die Arroganz der FMF-Initianten
Der FDP-Pressedienst -Nr. 4 27. Januar 2000
Abstimmung
Hoffnung vieler Paare auf eine Familie zerstören?
Nein zur Volksinitiative "für eine menschenwürdige Fortpflanzung"
Von FDP-Ständerätin Helen Leumann, Meggen (LU)
Keine Chance hatte die Initiative beim Bundesrat und im Parlament. So lehnte
der Ständerat die Initiative einstimmig ab, während sie der Nationalrat mit 122
gegen 21 Stimmen verwarf. Eine Initiative, die 2 grosse Verbote fordert -
nämlich das Verbot der Zeugung ausserhalb des Körpers der Frau
(In-vitro-Fertilisation) als auch das Verbot der Verwendung von Keimzellen
Dritter zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (heterologes Verfahren).
FDP.- Die Initiative geht entschieden zu weit. Mit einer Annahme der Initiative
wäre die Schweiz weltweit das einzige Land, das solcher Verbote wegen die
Hoffnung vieler Paare auf eine Familie zerstört und die Möglichkeit einer
zukünftigen Schwangerschaft in Zukunft verbietet.
Missbräuche werden verhindert
Wir bewegen uns menschlich für viele Paare, aber auch ethisch in einem heiklen
Bereich. Ich kann die Haltung vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eine
Zeugung ausserhalb des Körpers der Frau ablehnen, verstehen - ich teile sie aber
nicht. Dass jedoch Missbräuche verhindert werden müssen, ist auch für mich
selbstverständlich.
Bereits 1992 wurde mit der Annahme des damaligen Artikel 24novies in der
Bundesverfassung (Art. 119 gem. neuer BV) die Embryospende, die
Leihmutterschaft, Eingriffe in das Erbgut von menschlichen Keimzellen und
Embryonen sowie Chimären- und Hybridenbildung verboten. Mit dem
Fortpflanzungsmedizingesetz welches letztes Jahr verabschiedet wurde, hat die
Bundesversammlung den nötigen Schutz vor Missbrauch konkretisiert. Verboten sind
in diesem Gesetz auch die Eispende, das Konservieren von Embryonen, die
Präimplantationsdiagnostik, die Keimbahntherapie und das Klonen. Ferner wird
eine Ethik-Kommission eingesetzt, welche die Entwicklungen in der
Fortpflanzungsmedizin und in der Gentechnologie im humanmedizinischen Bereich
verfolgt und aus ethischer Sicht beratend Stellung nimmt.
FDP verzichtete im Interesse der betroffenen Paare auf Referendum
Gewisse Einschränkungen, vor allem das Verbot der Präimplantationsdiagnositik
aber auch das Verbot der Eispende haben es der FDP-Fraktion nicht leicht
gemacht, dieses restriktive Gesetz zu akzeptieren. Gerade im Hinblick auf das
Verbot der Präimplantationsdiagnostik kann die Gefahr der Uebertragung einer
schweren Krankheit jetzt nur noch durch die heterologe Insemination vermieden
werden. Im Interesse der betroffenen Paare wurde jedoch auf ein Referendum
verzichtet. Der Gesetzgeber hat sinnvolle und wünschbare Anwendungen der
Fortpflanzungsmedizin erlaubt, mögliche Missbräuche jedoch streng geregelt. Das
Gesetz wird nach Ablehnung der Inititative sofort in Kraft treten.
Ungewollte Kinderlosigkeit betrifft in der Schweiz jedes 6. Paar. Es wäre nicht
nur unethisch, sondern würde auch gegen das Grundrecht auf Behandlung einer
Krankheit verstossen, wenn diesen Paare ärztliche Hilfe per Verbot der
In-vitro-Fertilisation und des heterologen Vefahrens verweigert würde.
Die Gründe für die Ablehnung
Die Initiative ist abzulehnen weil:
- sie die medizinischen Methoden zur Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit
verbietet
- die Schweiz bereits heute über eine der strengsten Missbrauchsregelungen der
Welt verfügt
- das Fortpflanzungsmedizingesetz ganz klare und sehr strenge Grenzen zwischen
Missbrauch und sinnvollem Gebrauch zieht
- sie medizinische Fortpflanzungshilfen verbietet, die heute routinemässig und
teilweise seit mehr als 30 Jahren erfolgreich angewendet werden
- sie vielen ungewollt kinderlosen Paaren die letzte Hoffnung auf ein eigenes Kind
nimmt (heute kommen in der Schweiz pro Jahr bereits über 400 Kinder durch
medizinisch unterstützte Fortpflanzung zur Welt)
- sie eine Patientengruppe diskriminiert, indem sie das Verbot der Behandlung
einer Krankheit fordert.
- bei männlicher Unfruchtbarkeit die Aussicht auf ein Kind ohne Spendersamen auf
Null sinkt (man schätzt, dass weltweit eine Million Kinder dank der Insemination
mit Spendersamen geboren wurden)
- sie das Grundrecht der persönlichen Freiheit verletzt. Ungewollt kinderlose
Paare sollen frei darüber entscheiden können, ob sie eine medizinische
Behandlung in Anspruch nehmen wollen oder nicht
- die Betroffenen völlig übergangen werden. Man kann nicht vor Missbrauch
schützen, indem man einfach die wichtigsten medizinischen Fortpflanzungshilfen
generell verbietet
- sie den Fortpflanzungstourismus fördert und zur Zweiklassenmedizin führt. Nur
vermögende Eltern können es sich dann leisten, ihre ungewollte Kinderlosigkeit
im Ausland behandeln zu lassen.
Die Arroganz der Initianten
Es wäre zwar für mich als Mutter von 3 Kindern sehr einfach, kinderlosen Paaren
zu raten sich mit ihrer Kinderlosigkeit abzufinden oder gar überheblich zu
argumentierten, das sei so von Gott gewollt und man könne auch ohne Kinder
glücklich sein. Und es macht mich wütend, mit welcher Arroganz die Initianten
sich über das Schicksal von Menschen, denen geholfen werden könnte,
hinwegsetzen. Denn nur wer selber keine Kinder haben oder Kinder nur mit
grössten Schwierigkeiten bekommen kann, kann ermessen wieviel Leid und
Verzweiflung hinter einem solchen Schicksal stecken kann. Wie sehr das Leben der
betroffenen Paare beeinträchtigt wird und zu welch psychischen Belastungen
Kinderlosigkeit führen kann.
Heute haben wir die Möglichkeit vielen Eltern zu helfen. Es wird aber trotzdem
nicht eine grosse Gruppe sein, die von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht.
Einerseits ist die Erfolgsquote klein, andererseits braucht es eine gefestigte
Partnerschaft, viel Liebe, Verständnis und Geduld, Beratung und Aufklärung bis
sich ein Paar zu dieser Form der Kindererzeugung durchringt. Denn es handelt
sich hier nicht um den Einkauf eines Gegenstandes den man bei Nichtgefallen
wieder fortwirft - sondern es handelt sich um eine schwierige Form des
Kinderkriegens. Bis ein Ehepaar soweit ist, es mit der medizinisch unterstützen
Fortpflanzung zu versuchen, hat es sich diesen Entscheid reiflich überlegt und
ihn gemeinsam gefällt. Denn die Verantwortung für den Entscheid und die damit
verbundenen Folgen können wir ihnen auch mit einem Gesetz nicht abnehmen.
Pressemitteilung der fdp vom 27.01.2000
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