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Rechtsethische Überlegungen zum NEIN zur Volksinitiative "für eine
menschenwürdige Fortpflanzung"
Hans-Peter Schreiber
In dem 1992 vom Schweizervolk gutgeheißenen Bundesverfassungsartikel (Art. 24
novies), der nun durch eine Initiative, über die wir am 12. März 2000
abstimmen werden, wieder aus der Verfassung gestrichen werden soll, heisst es
"Die Verfahren der Fortpflanzungsmedizin dürfen nur dann angewendet werden,
wenn die Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren
Krankheit nicht anders behoben werden kann, nicht aber um beim Kind bestimmte
Eigenschaften herbeizuführen oder um Forschung zu betreiben. Es dürfen nur so
viel Eizellen außerhalb des Körpers der Frau zu Embryonen befruchtet werden,
als ihr sofort eingepflanzt werden können."
Die in diesen Sätzen formulierten Bedingungen für die Zulassen moderner Befruchtungsmethoden machen deutlich,
daß eine willkürliche Technisierung menschlichen Lebens sowie ein
mißbräuchlicher Umgang mit ihm abgewehrt werden soll. Entsprechend restriktiv
ist auch das demnächst in Kraft tretende Fortpflanzungsmedizingesetz. Dieses
Gesetz hält in Artikel 29 fest, daß eine mißbräuchliche Gewinnung von
Embryonen sowie deren Aufbewahrung zu einem anderen Zweck als dem der
Herbeiführung einer Schwangerschaft, mit Gefängnis bestraft wird. Trotz
dieser strengen gesetzlichen Einschränkung der Anwendung neuer
Befruchtungmethoden (z.B. im Reagenzglas), möchte die Volksinitiative "zum
Schutz des Menschen vor Manipulation in der Fortpflanungstechnologie", just
diese Technik kategorisch verbieten, obwohl sie zahlreichen unfruchtbaren
Ehepaaren häufig eine letzte Möglichkeit offenhält, den sehnlichst gehegten
Wunsch nach einem eigenen Kind auf diese Weise doch noch erfüllt zu bekommen.
Wenn sowohl der einschlägige Verfassungsartikel wie auch die restriktive
Gesetzgebung sich vom Gedanken des Schutzes der Menschenwürde, der
Persönlichkeit wie auch der Familie, leiten läßt, dann ist erkennbar, wie
unsere Rechtsordnung, die in der Gesellschaft geltende Moral widerspiegelt.
Dass wir angesichts der rasanten Erweiterung der technischen Möglichkeiten im
Bereich der Medizin auch orientierende Rahmenbedingungen brauchen, um einen
verantwortlichen Umgang mit diesen neuen Techniken sicherzustellen, stößt
insbesondere bei denen auf Zustimmung, die unmittelbar mit der Anwendung
solcher Techniken zu tun haben. Daher wird das äußerst engmaschige Gesetz, in
das die Fortpflanzungetechnolgien in Zukunft eingebettet sein werden, nicht
nur vom Bundesrat, sondern u.a. auch von der Ärzteschaft als differenzierter
Gegenvorschlag zur Volksinitiative empfohlen und als hilfreiches Instrument
zur Sicherung eines gesetzlich gut ausgeloteten Handlungsrahmen begrüßt.
Nun umfaßt der Schutz der Persönlichkeit, wie ihn die Verfassung, aber auch das
Fortpflanzungsmedizingesetz festhält, auch den Schutz der persönlichen
Freiheitsrechte. Das von der Volksinititative geforderte Verbot einzelner
künstlicher Befruchtungsmethoden bedeutet jedoch einen Eingriff in eben diese
Freiheitsrechte und steht somit im Widerspruch zum verfassungsmäßig
garantierten Grundrecht auf Selbstbestimmung, ein Widerspruch, der auch in
einem Bundesgerichtsentscheid festgehalten ist: "Es steht außer Zweifel, daß
das Verbot einzelner Methoden der Fortpflanzungsmedizin in das
verfassungsmäßige Recht der persönlichen Freiheit eingreift. Denn es ist
nicht zu verkennen, daß der Wunsch nach Kindern eine elementare Erscheinung
der Persönlichkeitentfaltung darstellt."
Ich will nicht bezweifeln, daß den
Initianten das Verdienst zukommt, auf ethisch und rechtlich wichtige
Problemperspektiven dieser neuen Reproduktionsmethoden aufmerksam gemacht zu
haben. Der Gesetzgeber hat jedoch darauf reagiert und ein Gesetz geschaffen,
das auf berechtigte Besorgnisse und ethisch nicht vertretbare Praktiken
eingeht, sie rechtlich regelt und dennoch das Grundrecht jedes einzelnen auf
Selbstbestimmung respektiert, in dem es ihm die Option offenhält, im Falle
einer medizinisch bedingten Einschränkung der Fortpflanzungsfähigkeit, in
gesetzlich engem Rahmen die neue Fortpflanzungstechniken in Anspruch nehmen
zu können.
Prof. Dr. H.-P. Schreiber, Ethik und Technikfolgenabschätzung, ETH Zürich
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